Pressespiegel

Eine ausgezeichnete historische Parklandschaft

Über die Inwertsetzung der Parklandschaft auf dem Johannisberg in Bielefeld. Von Ehm Eike Ehrig

Bielefeld ist mit seinen knapp 324.000 Einwohnern die einzige Großstadt in der Bundesrepublik, die von einem Mittelgebirgszug durchschnitten wird. Der Pass durch den Teutoburger Wald wiederum war vor genau 800 Jahren die Ursache dafür, dass sich die Handelsstadt gründen und etablieren konnte. Anfangs war der Pass durch die Sparrenburg gesichert, die im Verlauf der Jahrhunderte zur Ruine wurde und erst in der Zeit des Historismus und der allgemeinen nationalen Begeisterung im Stil der Neugotik wieder aufgebaut wurde.1 Auf der gegenüber liegenden Passseite liegt der 200 Meter hohe Johannisberg. Dieser Berg wurde bis zum Ende des 18. Jhd. als Schafweide genutzt. Zu jener Zeit war der Teutoburger Wald ein weitestgehend kahler Höhenzug. Noch heute lässt sich dies an den Ortsnahmen „Am Kahlenberg“, „An der Rosenhöhe“ oder „Dornberg“ ablesen. Doch nicht nur über die Ortsnamen, sondern auch durch eine Vegetationsanalyse der Wiesenbestände auf dem Johannisberg ließ sich die Schafbeweidung nachvollziehen. Das massenhafte Auftreten des Ruchgrases Anthoxanthum odoratum und des Sauerampfers Rumex acetosa in den Wiesen auf dem Johannisberg korreliert mit einem überdurchschnittlichen Gehalt an Phosphorsäure, wie er durch Schafdung in den Boden gelangt.2 Auf dem Johannisberg wurde somit eine über 200 Jahre alte Agrarlandschaft in einen Park überführt und konnte mit ihrem Bestand an seltenen Grünlandarten bis zum heutigen Tage konserviert werden.

Ab 1830 wurde auf dem Johannisberg ein Ausflugslokal betrieben. Frühe Lithographien des 19. Jahrhunderts zeigen, dass die Aussicht vom weitgehend kahlen Berg auf die Stadt dazu einlud, von der Stadt heraufzusteigen.3 Seit 1840 befindet sich ein Großteil des Berges im Besitz der Schützengesellschaft und wird ab 1870 aktiv zu einer Parkanlage umgestaltet. Im Jahr 1895 wird das Schützenhaus vis-á-vis der Sparrenburg im neugotischen Stil eingeweiht und der Johannisberg zu einem zentralen Ort bürgerlichen Lebens aufgewertet. Es folgt die Zeit der Weltkriege mit Kriegsgefangenenlagern für französische Soldaten und später einem Lager für Zwangsarbeiterinnen aus der Ukraine und Russland, die unter unwürdigsten Bedingungen auf dem ehemaligen Festplatz am Park hausen mussten, um in den Fabriken der Stadt zu arbeiten. Die Briten versuchten die Bahnlinie am Bielefelder Pass zu bombardieren, trafen jedoch nur rechts und links der Trasse. Unter anderem das Schützenhaus. Nach dem Krieg wurde eine Straße in den Park gelegt, um die Trümmer abzufahren. Die Schützengesellschaft verpachtete ihre Liegenschaft an einen Investor, der in den 1970er Jahren dort ein Hotel baute. Die neue Straße durchschnitt seit den späten 1950er Jahren den historischen Park. Mit der Bearbeitung des Parkpflegewerks stellte sich in der Zielplanung die Frage, wie mit der Zufahrt umgegangen werden sollte. Da die wenigen Plangrundlagen in den Archiven wenig Aussagekraft boten, musste einerseits auf Postkartenansichten zurückgegriffen werden und andererseits auf Informationen, die eine detaillierte Vegetationsanalyse erbrachte. Neben den Altgehölzen der potentiellen natürlichen Klimaxvegetation konnte in dem weitgehend sukzessierten Gelände eine Ansammlung von Neophyten und Kultivaren im Baumkataster ausgewiesen werden. Die Gehölzsammlung entstammt der Zeit „Arboretiens“, in der „auf engstem Raum ohne Rücksicht auf Raumkonzept und Sichtbeziehungen möglichst viele Arten in möglichst ausgefallenen Sorten gepflanzt“ wurden. Auf dem Johannisberg waren dies beispielsweise die Züchtungen Acer platanoides ´Dissectum´ (1829), Acer pseudoplatanus ´Atropurpureum´ (1862) und Acer pseudoplatanus ´Leopoldii´ (1864). Die Durchschneidung dieses kleinen - führte dazu, dass sich steile und damit nicht mähbare Böschungen ergaben, auf denen vom Samenflug der Ahornkultivare Naturverjüngungsdickichte aufkamen und die Raumstruktur auflösten. Zugleich war auf Postkartenansichten des Parks erkennbar, dass sich das Gelände in sanften Schwüngen abfing.

Umfänglicher Ort des Gedenkens

In der Zielplanung wurde deshalb der Rückbau der Zufahrtsstraße aus dem historischen Park empfohlen und die Verlegung auf die andere Seite des Höhenkamms organisiert. Mit dieser Planung ließen sich gleichzeitig die Parkplätze für die vielen Erholungssuchenden erschließen. Diese Parkplätze wurden in der Stadt dringend benötigt, um dem steigenden Nutzungsdruck auf das Naherholungsgebiet gerecht zu werden. Straße und Parkplätze lagen damit genau dort dem historischen Park vorgelagert, wo sich einst die Zwangsarbeiterlager befanden. Im Zuge der Planung wurde die Abmessung einer der Baracken mit einem Cortenstahlband mit Inschriften aus Tagebuchauszügen der Zwangsarbeiterinnen in eine der Parkplatzmarkierungen und den angrenzenden Straßenraum eingefügt. Die Parklandschaft auf dem Johannisberg ist ein umfänglicher Ort des Gedenkens: zwei Denkmäler an Gefallene und Verwundete des ersten Weltkrieges, drei Denkmäler zur Erinnerung an die zehntausend Zwangsarbeiterinnen und zwei Denkmäler für Feldherren. Doch allen diesen Denkmälern gemein war, dass man Ihnen aus unterschiedlichen Gründen lange Zeit keine Beachtung schenkte, wodurch die Parkanlage nach etlichen Jahrzehnten so stark eingewachsen war, dass sie von der Altstadt nur noch als bewaldeter Hügel wahrzunehmen war. Von den ca. 1.000 Bäumen wurden deshalb 40% herausgeschlagen, um neben der Freilegung der historischen Parkräume auch die ehemaligen Blickbeziehungen zur Stadt und Burg wieder herauszuarbeiten. Dominierten im Gehölzbestand vor den Maßnahmen die Ahornarten mit 35 %, gefolgt von den Buchen mit 18% und Eschen und Eichen mit 11 bzw. 8%, so baut sich der überwiegende Bestand heute zu 33 % aus Buchen, zu 15 % aus Eichen und zu jeweils 12 % aus Hainbuchen und 12 % fremdländische Gehölzen und Kultivaren auf.5 Das Arboretum wurde durch die Fällarbeiten als prägender Bestandteil der historischen Parklandschaft wieder erkennbar und die Anlage durch den Straßenrückbau wieder zu einem zusammenhängenden Ganzen. Beim Rückbau war es besonders wichtig, die Bodenmodellierung entsprechend der historischen Postkartenansichten sanft in weiten Bodenwellen auszuformulieren und über Tage hinweg den Bagger zu dirigieren. Dieser Aufwand ist lohnenswert und unbedingt notwendig gewesen, damit die ehemalige Straßentrasse heute im Park kaum mehr vorstellbar erscheint.

Eine Mahdgutübertragung auf die modulierten Böden ließ die Baustellenabwicklung nicht zu, weshalb artenreiches Saatgut aus gebietsheimischen Herkünften ausgebracht wurde. Je nach Hangexposition und Nutzung (z.B.: Schotterrasen) wurden im Büro fünf unterschiedliche Saatgutmischungen für den Johannisberg entwickelt. Das Pflegeregime wurde so eingerichtet, dass es mit ein bis zwei Mahdterminen auskommt und das Mahdgut von den Flächen abtransportiert wird, um die eutrophierungsgefährdeten Böden langfristig mager zu halten. Bereiche ohne Bodenmodellierung wurden in der Bauzeit abgesperrt und geschützt, damit vorhandene Orchideenarten, wie Listera ovata und Dactylorhiza maculata, keinen Schaden nehmen konnten. In der eigentlichen Bauphase von 2010 bis 2012 wurden auf dem ca. 10,5 ha großen Parkareal 2,2 Mio. € investiert. Die gartendenkmalpflegerische Ziel- und Maßnahmenplanung verwandelte den Johannisberg erneut in eine Parklandschaft, die von den Bürgern der Stadt wieder in Besitz genom-men und 2014 mit dem NRW LandschaftsArchitekturpreises ausgezeichnet wurde. Das Hotel mitten im Park stört mit seinen Parkplätzen zwar nach wie vor die ehemals durchgängige Allee vom vorderen zum hinteren Parkteil doch dieses Dilemma ist planerisch lösbar und so bleibt zu hoffen, dass dieser Schlussstein in der Komplettierung der Parklandschaft auf dem Johannisberg in ein paar Jahren noch gesetzt werden kann.

 

 

Veröffentlicht am:
12.11.2014

Autor:
Ehm Eike Ehrig

Herausgeber:
Landschaftsarchitekten

Stichworte:
Bielefeld, Johannisberg, Parkanlage, Parkpflegewerk, historisch, Landschaftspark

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