Gütersloh | Fertigstellungsjahr 2012 | Seiten 143 Stk. | Grundfläche 380.000 m²

Parkkonzeption 2020+ Flora Westfalica

Die geschichtliche Entwicklung der Orte Rheda und Wiedenbrück führte zum Bau der Flora Westfalica. Durch die Zusammenlegung der ehemals selbstständigen Städte im Rahmen der Kommunalreform von 1970 wurde eine neue Stadt per administrativer Bestimmung beschlossen. Die Bürger empfanden sich jedoch weiterhin als Rhedaer oder Wiedenbrücker. Das Zusammenwachsen wurde dadurch erschwert, dass beide Ortsteile, die zuvor seit tausend Jahren in Selbstständigkeit bestanden, durch verschiedene Konfessionen geprägt wurden und ab 1938 auch visuell mit der Fertigstellung der Autobahn A2 eine klare räumliche Trennung voneinander erfuhren. Achtzehn Jahre nach der Kommunalreform wurde durch die Realisierung der Landesgartenschau der Versuch unternommen, das Zusammengehörigkeitsgefühl beider Bürgerschaften zu stärken. Der städtische Freiraum entlang der Ems bot sich sinnfällig hierfür an. Seither besteht die Flora Westfalica als verbindendes und identitätsstiftendes Element der Stadt Rheda-Wiedenbrück.

Seit Eröffnung der Landesgartenschau stand der Naturgenuss für Familien und ältere Menschen im Fokus des Angebotes der Flora Westfalica. Auch andere Parkanlagen der Region, die später entstanden oder ausgebaut wurden, zielen in ihrer Ausrichtung auf diese beiden bevorzugten Zielgruppen. In der Analyse der Konkurrenzsituation mit anderen Parkanlagen der Region ist dies bereits deutlich geworden. Neben der sehr speziellen verbindenden Funktion der Flora Westfalica lassen sich grundsätzlich drei übergeordnete Nutzungsanforderungen an Parkanlagen beschreiben.

Die rehabilitative Nutzung steht bei Parkanlagen von Kurorten im Vordergrund. Der Aspekt der Erholungssuche und Gesundungsunterstützung, wie er durch Salinen im Park oder therapeutische Gartenbereiche oftmals gekennzeichnet ist, steht hier im Vordergrund. Diese Anforderung deckt sich überwiegend mit den Bedürfnissen älterer Nutzer. Dieses Freiraumangebot findet sich speziell in Kurorten und hat für die Flora Westfalica eine untergeordnete Bedeutung.

Die aktive Nutzung bildet den Gegenpart zur rehabilitativen. Hier sind es überwiegend junge Erwachsene und Familien, die ein vielfältiges Angebot von Aktivitäten nachfragen und zu schätzen wissen. Unter den Aktivitäten lassen sich die erlebnisorientierten und die bewegungsorientierten voneinander unterscheiden, wobei das Thema erlebnisorientierter Aktivitäten in Parkanlagen eher ein Thema von Metropolregionen darstellt. Der Westfalenpark wäre hier einzuordnen oder auch der Tiergarten in Berlin. Für den Maßstab von Rheda-Wiedenbrück sind Eventereignisse solchen Ausmaßes wie in Dortmund oder Berlin sicherlich weder wahrscheinlich noch wünschenswert.

Die dritte und zwischen den übergeordneten Nutzungskategorien vermittelnde Nutzungsart ist die kontemplative. Hier stehen Naturgenuss und Genuss von Gartenkultur im Vordergrund. Der Genuss von Gartenkultur bedient in der Vorstellung ein überwiegend etabliertes und konservatives Milieu. In der jüngeren Altersschicht sind es verstärkt Frauen, die sich vom gartenkulturellen Angebot angesprochen fühlen. Der Naturgenuss wird ebenfalls durchgängig in allen Nutzergruppen nachgefragt. Gerade in großen Parkanlagen mit Anschluss an ein funktionsgerechtes Radwegenetz wie es in Rheda-Wiedenbrück vorhanden ist, ergänzt sich das Naturerlebnis sehr gut mit bewegungsorientierten Nutzungen.

In der Grafik zur Verteilung der Nutzergruppenspektren wird ersichtlich, dass die beiden Nutzergruppen der Senioren und Familien besonders klar angesprochen werden. Und diese beiden Gruppen bewegen sich im kontemplativen Nutzungsspektrum zwischen Naturgenuss und dem Erleben von Gartenkultur. 

Nutzergruppenspektrum wird ebenfalls deutlich, dass für das Angebotsspektrum und die Nachfragegruppen der Flora Westfalica noch ausschöpfbares Potential besteht. Gegenwärtig ist die Flora Westfalica besonders für die eigene Bevölkerung interessant. Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Zielrichtung der damaligen Landesgartenschau darin bestand, die Bevölkerung Rheda-Wiedenbrücks zusammenzuführen.

Bild 1: Verteilung der gegenwärtigen Nutzergruppenspektren benachbarter Parkanlagen aus der Region
Bild 2: Durch die neue Zielplanung veränderte Verteilung der Nutzergruppenspektren benachbarter Parkanlagen aus der Region

 

Von der Angebotsseite einmal abgesehen, liegt in der verbindenden Funktion in mitten des Stadtraumes deshalb das eigentliche Alleinstellungsmerkmal der Flora Westfalica verborgen. Verborgen deshalb, weil der Park sich bislang eher introvertiert von seinem städtischen Umfeld verschließt, als dass er die Chancen ausreizt, sich offen und auffällig der Stadt gegenüber zu präsentieren. Aus diesem Grund ist es in unserer Parkkonzeption 2020+ ein besonderes Augenmerk, die Haupteingangsbereiche und Nebeneingänge deutlicher als bislang herauszustellen und auch neue Parkeingänge zu schaffen. Die Hauptparkeingänge sollten in diesem Zusammenhang durch ein landschaftsarchitektonisch gestaltetes Signum ein „Branding“ erhalten, das die Flora Westfalica in ihrer Wahrnehmbarkeit weiter schärft.

 

Bei der verbindenden Funktion der Flora Westfalica handelt es sich um ein Alleinstellungsmerkmal, das sich aus dem stadträumlichen Kontext ergibt. Dieses städtebaulich-planerische Merkmal schafft für die Bürger der Stadt ein hohes Maß an Lebensqualität. Ortsfremden Menschen, die von weiter her anreisen oder die erst noch zu einem Besuch Rheda-Wiedenbrücks animiert werden sollen und nichts über die historische Entwicklung der Stadt wissen, dürfte dieses Alleinstellungsmerkmal des stadtteilverbindenden Parks PR-trächtig schwer zu vermitteln sein.

Um für die auswärtigen Gäste ein leichter verständliches und einladendes Alleinstellungsmerkmal zu formulieren, sollte über die städtebauliche Verbindungsfunktion des Parks hinaus ein weiteres Wesensmerkmal der Flora Westfalica planerisch kommuniziert werden. Das bedeutet, dass sich die Gestaltung des Freiraumes durch sich selbst nicht nur hinreichend darstellen muss, wo die Flora Westfalica beginnt und wo sie endet, sondern vor allem, was in ihr erlebt werden kann.

Unter dieser Perspektive zeigt sich der unverwechselbare Charakter des Parks in seiner beschriebenen Tradition von Naturgenuss und Gartenkultur, die für die Flora Westfalica seit jeher von zentraler Bedeutung war. Im Leitbild für die Vegetationsentwicklung wurde die Vegetation als wesentliches Merkmal oder auch Markenzeichen der Flora Westfalica bereits identifiziert. Nicht zufällig versinnbildlicht die Namensgebung für die damalige Landesgartenschau und den heutigen Park dieses Markenzeichen im Begriff der Flora Westfalica deutlich. Oder anders formuliert, das leicht für auswärtige Gäste nachvollziehbare Alleinstellungsmerkmal der Flora Westfalica ist die Marke Flora Westfalica – bzw. ihr spezifischer Umgang mit ihren Kernkompetenzen Natur und Gartenkultur.

Um diesen Markenkern der Flora Westfalica für die Zukunft zu sichern und noch breiter aufzustellen, ist es wichtig, die Themen Gartenkultur und Naturgenuss zu stärken. Der Anspruch, den die Flora Westfalica auf diese beiden Kernkompetenzen legt, sollte gegen die Konkurrenzanlagen in der Region behauptet werden, um die Glaubwürdigkeit der eingeführten Marke erhalten und weiterentwickeln zu können. Seitens der Gartenkultur steht die Flora Westfalica vor allem gegenüber dem nahe gelegenen Stadtpark Gütersloh unter Druck, ihre Positionierung im Segment der „Gartenkultur“ zu verteidigen. Mit dem ehemaligen Gelände der Landesgartenschau in Schloss-Neuhaus in Paderborn ist das Thema Naturgenuss und Bewegung an der Aue ebenfalls bereits gut besetzt. Der Park vereint den kontemplativen Naturgenuss der Aue mit bewegungsorientierten Aktivitäten und lädt Familien und ältere Menschen ein, entlang der Aue auf Fahrradtour zu gehen. Seit 2011 ist zudem mit der denkmalpflegerischen Generalüberholung des historischen Parks auf dem Johannisberg als zentraler Ausgangspunkt für „StadtParkLandschaft - Erlebnisvielfalt im Grünen“ ein weiteres Angebot in der Region für Naturgenuss und, mit dem integrierten Kletterpark, auch für bewegungsorientierte Nutzer hinzugekommen. Aufholbedarf im Vergleich mit anderen Parkanlagen aus der Region gibt es vor allem im Bereich der Gartenkultur.

Das allein wird jedoch nicht reichen. Eine weitere Nutzergruppe und eine zusätzliche Kernkompetenz müssen für die Flora Westfalica gewonnen werden. Die noch wenig erschlossene Nachfrage junger Erwachsener bietet sich, wie im Leitbild für die erweiterte Nutzungsvielfalt bereits angedeutet wurde, hierfür an. Gegenwärtig richtet sich das Nutzungsangebot der Flora Westfalica vorwiegend an Familien die neben Freizeit- und Spielanlagen für ihre Kinder auch das Naturerlebnis der Aue suchen oder an Senioren, die neben dem Naturgenuss auch von den gärtnerischen Pflanzungen angesprochen werden.

Das Thema bewegungsorientierter Aktivitäten nimmt hingegen in der bisherigen Anlage einen unterrepräsentierten Stellenwert ein und auch in anderen Parkanlagen der Region findet die Verortung bewegungsorientierter Angebote in Parkanlagen kaum statt. Trendsportarten, die ohne Vereinsbindung spontan nutzbar sind und in ihrer Präsentation als Besonderheit wahrgenommen werden, sind für die Gewinnung dieser jungen und anspruchsvollen Nutzergruppe entscheidend. Ein ausgebautes Angebot für junge Erwachsene zwischen 16 und 32 Jahren sollte deshalb gut durchdacht erfolgen, um den tradierten Markenkern der Flora Westfalica dabei nicht durch Überdehnung zu gefährden oder gar zu verlieren. Gleichwohl überwiegen die Chancen, die diese bewegungsaffine Nutzergruppe für die Flora Westfalica bereit hält, denn diese Gruppe ist sehr mobil, spontan und findet sich nicht allein in Einzelpersonen oder Pärchen zur Freizeitgestaltung zusammen sondern oftmals in ganzen „Cliquen“. Würde diese Generation für die Flora Westfalica begeistert, so erwächst daraus die nachfolgende Nutzergruppe der Familie automatisch. Darüber hinaus können die jungen Erwachsenen über die Autobahnen aus einem 50km Einzugsgebiet für Rheda-Wiedenbrück sehr gut rekrutiert werden. Ob es letztlich gelingt, diese Altersgeneration als neue Nutzergruppe in die Flora Westfalica zu integrieren, hängt im Endeffekt von der Qualität und Besonderheit der Freizeitanlagen und der Tragfähigkeit der Gesamtzielplanung ab. Das bedeutet konkret, dass Trendsportanlagen nicht beziehungslos und wie ausgestanzt im Park platziert werden sondern integrale Bestandteile einer übergeordneten Parklandschaft sein müssen. Diese Zielplanung für die Traditionsmarke Flora Westfalica geht somit über ein einfaches „Update“ hinaus, das zeitgemäße Trends und sportliche Aktivitäten in die Parkanlage integriert, indem es mit einem innovativem Konzept neue Entwicklungsperspektiven schafft, die als Vorbild für andere Parkanlagen Maßstäbe setzen kann.

 

Unter Einbeziehung dieses umfangreichen Aktivitätsangebots wird die Konzentration der Zielplanung auf die Themen Natur und Gartenkultur die Authentizität der Marke steigern und in der Realität des Bestandes noch stärker als zuvor verwirklichen. Für die Vitalisierung und Glaubwürdigkeit der Marke Flora Westfalica bedarf es nach 24 Jahren seit der Gartenschau wieder der Investitionen, um die Zukunftsbeständigkeit des Parks durch die neue Zielplanung zu sichern. Der Park und die Marke Flora Westfalica erhalten durch die Zielplanung eine emotional aufgeladene Aura. Durch die Integration bislang unterrepräsentierter Nutzeransprüche wird das Spektrum der Besuchergruppen erweitert. In ihrer Bündelung führen diese Maßnahmen zu einer widerspruchsfreien Marke, deren Park die Erwartungen erfüllt, die durch die Marke Flora Westfalica geweckt werden. Doch was genau macht dieses innovative Konzept aus und wie lässt sich die emotional aufgeladene Aura planerisch verwirklichen?

 

Die Zielplanung formuliert einen physisch-materiellen Gegenentwurf und Ausgleichsraum zu einer zunehmend virtualisierten und rationalisierten Welt.

Das Konzept der Vegetation wird innovativ und pflegeextensiv sein und sich an ökologischen Ansprüchen ausrichten. Pflanzen nach ihrer Standorteignung einsetzt und in ihrem Konkurrenzverhalten so aufeinander abstimmt, dass sich die Anlage für langfristig  stabil erhält. Dem Vorbild der natürlichen Vegetation folgend, wird es zu bestimmten Monaten Pflanzenarten geben, die in Massen erblühen und dadurch das Geschehen visuell oder olfaktorisch bestimmen und dies durch gezielte Pflanzenauswahl sogar zu Jahreszeiten, in denen Blütenflor rar ist. Hierdurch entstehen Aspekte, die einzigartig sind, Erstaunen hervorrufen, Fantasien beflügeln und dadurch emotional berühren. Das Mysterium des Lebens wird durch eine gesteigerte Wahrnehmbarkeit und ungewohnte aber dennoch natürlich wirkende Bilder transportiert. In der sinnlichen Qualität der Vegetationsplanung und den archaischen Formen architektonisch-baulicher Zitate wie Irrgarten, Labyrinth, Steinsetzungen, Hainformationen etc. kann sich dann eine emotional aufgeladene Parkatmosphäre verwirklichen.