Pressespiegel

Klimaschutz und Anpassung an die Folgen des Klimawandels in historischen Stadtquartieren

Potsdam: Die Bundestransferstelle Städtebaulicher Denkmalschutz hat unser Pflege- und Entwicklungskonzept für die Parkanlage des historischen Glacis in Minden als eines von drei Best-Practice Beispielen der Bundesrepublik ausgewählt. Ausschlaggebend für diese Auszeichnung war der fachkundige und innovative Umgang mit dem Thema Klimaschutz und Anpassung an die Folgen des Klimawandels in historischen Stadtquartieren.

Für das Pflege- und Entwicklungskonzept wurden durch das Büro L-A-E Landschaftsarchitekten Ehrig & Partner vegetationsökologische Untersuchungen vorgenommen und nimmt auf die heutigen und noch zu erwartenden Standortfaktoren der sich wandelnden klimatischen Verhältnissen Bezug. Hieraus wurden Risiken für das historische Gartendenkmal und insbesondere seinen Altbaumbestand ersichtlich, denen mit Maßnahmen der Klimawandelfolgeplanung begegnet wurde.

Die Bundestransferstelle Städtebaulicher Denkmalschutz hat im Dezember 2020 eine kurze filmische Dokumentation zum Thema „Klimaschutz und Anpassung an die Folgen des Klimawandels in historischen Stadtquartieren“ produzieren lassen. Hierfür hat Frau Theresa-Maria Höhne von der Kommunalberatung der Bundestransferstelle in Potsdam auch mit Herrn Ehm Eike Ehrig gesprochen:


Sehr geehrter Herr Ehrig, Sie haben das Pflege- und Entwicklungskonzept erarbeitet: Zu welchen Erkenntnissen kam Ihre Analyse?
Unsere vegetationsökologische Analyse zeigt Monokulturen von Pflanzen in der Krautschicht, die der Vegetationsökologe Heinz Ellenberg seinerzeit als Verschmutzungsanzeiger definiert hat. Das Glacis ist aufgrund seiner Standorteutrophierung extrem artenarm und begünstigt Baumarten die vor dem Hintergrund des Klimawandels ungeeignet sind.

Eine Erkenntnis hieraus ist, dass wir die schleichende Entwicklung zu instabilen Gehölzbeständen aufhalten bzw. umkehren müssen. Eine weitere Erkenntnis liegt in der Notwendigkeit den Nährstoffkreislauf durch Laub- und Mahdgutentnahme zu entlasten.

Durch diese Maßnahmen des Pflege- und Entwicklungskonzeptes wird die Krautschicht wieder artenreich und der Gehölzbestand widerstandsfähiger für die sich verstärkenden Prozesse des Klimawandels.

Inwiefern wurden Bürgerinnen und Bürger in den Erarbeitungsprozess für das Pflege- und Entwicklungskonzept der Mindener Glacis-Anlagen eingebunden?
Die Bürgerinnen und Bürger wurden von uns von Anbeginn bis zum Projektabschluss intensiv in das planerische Geschehen eingebunden.

Es gab 5 Workshops zu denen jeweils zwischen 100 bis 200 Interessierte anwesend waren. In den ersten Workshops ging es um Information und Aufklärung. Den wenigsten war bewusst, dass das Glacis an einem Scheideweg steht.

Abgesehen von den vegetationsökologischen und gartendenkmalpflegerischen Zusammenhängen wurden im weiteren Beteiligungsverlauf von den Bürgern auch Ziele mit entwickelt, als es um den Ausgleich von Nutzungsinteressen ging, die durch unser Planungsbüro moderiert wurden.

Welche konkurrierenden Nutzungsinteressen gibt es für das Glacis und wie können diese in Einklang gebracht werden?
Der wesentliche Interessenkonflikt beruht auf der Doppelnutzung des Wegesystems durch Radfahrer und Spaziergänger.Deshalb haben wir im Pflege- und Entwicklungskonzept ein duales Wegesystem konzipiert, das durch seine Führung und Materialität eine suggestive Wirkung entfaltet.

Wie wurden denkmalpflegerische Belange in die Konzeption der Maßnahmen einbezogen?
Denkmalpflegerische Belange waren von der Analyse über die Zielstellung bis zur Maßnahmenfestsetzung ein zentraler Kern der Konzeption. Denn ein Drittel der Glacis-Bäume sind historischen Ursprungs. Die meisten von ihnen gehören zur Gruppe der klimatischen Klimaxgehölze.
Auch zeigt sich wie überall in der Bundesrepublik, dass ein großer Anteil der heutigen Bestandsbäume aus der Phase des Niedergangs zwischen Weltwirtschaftskriese und früher Nachkriegszeit stammen. Hier handelt es sich weitgehend um sukzessive Gehölze, die den historischen Altbaumbestand bedrängen. Eine wichtige denkmalpflegerische Maßnahme ist deshalb die Freistellung historischer Lichtholzarten innerhalb von dichten Sukzessionsbeständen.


Welche Bedeutung hat das Glacis bzw. dessen Umgestaltung für Anpassung an die Folgen des Klimawandels bzw. für die Reduzierung der Folgen des Klimawandels?
Ein vitales Glacis bildet, als Naherholungsraum und in seiner Kühlungsfunktion für das Stadtklima einen wichtigen Baustein der Daseinsvorsorge für die zukünftige Entwicklung Mindens. Eutrophierte Standorte hingegen sind ein Brandbeschleuniger für Klimawandelprozesse. Sie potenzieren die Auswirkungen von Trockenperioden und begünstigen die Gefahr von Sommerbruch bei Starkästen. Hier entsteht ein enormes Verkehrssicherheitsrisiko.

Vor dem Hintergrund des Klimawandels benötigt Minden so dringend vitale Glacis-Waldungen wie nie zuvor, doch der Altbaumbestand ist akut gefährdet. Unser Pflege- und Entwicklungskonzept sorgt durch ein Oligotophierungs-Management und die Pflanzung bestandsergänzender Klimawandelgehölze für eine zukunftsbeständige Entwicklung des Glacis und der Stadt Minden insgesamt.

Vielen Dank Herr Ehrig, dass Sie sich kurzfristig die Zeit für die Beantwortung der Interviewfragen genommen haben.

Veröffentlicht am:
21.12.2020

Autor:
Ehm Eike Ehrig / Theresa-Maria Höhne

Herausgeber:
Bundestransferstelle Städtebaulicher Denkmalschutz