Pressespiegel

Inklusives Wohnprojekt in Ummeln

Dass Eltern und Kinder zusammen leben, sollte der Normalfall sein. Doch manche Eltern brauchen Hilfe, wenn sie ihre eigenen Kinder groß ziehen möchten.

Dass Eltern und Kinder zusammen leben, sollte der Normalfall sein. Doch manche Eltern brauchen Hilfe, wenn sie ihre eigenen Kinder groß ziehen möchten. Vor allem Menschen mit geistiger Behinderung. „Begleitete Elternschaft“ heißt das Stichwort.

In Ummeln entsteht jetzt ein auf diesem Sektor landesweit einmaliges Vorhaben. Bethel regional und die Bielefelder Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft (BGW) kooperieren für das inklusive Wohnprojekt, das rund 4,6 Millionen Euro kostet. DassechsgeschossigeHausan der Eichenstraße 29 ist keine Schönheit mehr. Die Fenster und Türen in den Erdgeschosswohnungen sind mit Sperrholz vernagelt, die übrigen Wohnungen stehen gleichfalls leer. Der Komplex aus dem Jahr 1965 wirdimFrühjahrabgerissen,um Platz für etwas Neues zu schaffen.

Auf zwei Etagen wird Bethel regional eine Clearingstelle für Eltern mit geistiger Behinderung und deren zumeist neugeborenen Kindern einrichten. In den beiden Etagen darüber entstehen öffentlich geförderte Wohnungen für Familien mit größerem Platzbedarf (zwischen 95 und 112 Quadratmetern), die in Ummeln fehlen.

„Das Projekt, das es in dieser Form bisher noch nicht gegeben hat, ist aus dem Wunsch geboren, Inklusion wirklich zu leben“, sagt Oliver Klingelberg, der bei der BGW für Sozialmanagement zuständig ist. Geschäftsführer Norbert Müller ergänzt, dass das Bauministerium in Düsseldorf sogar von einem Inklusions-Vorzeigeprojekt spricht. Das hat dazu geführt, dass bürokratische Grenzen überwunden wurden und sowohl Gelder aus der Wohnbauförderung als auch aus der Förderung für Menschen mit Behinderung generiert werden konnten. Jetzt gibt es 2,6 Millionenvom Land und vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Bethel regional zahlt einen Baukostenzuschuss von 450.000 Euro, um den Mietzins erträglich zu halten. Die zehn Wohnungen werden für 5,25 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter vergeben.

Besonders froh über das Vorhaben ist auch Petra Thöne. Sie ist bei Bethel regional für das Angebot „Begleitete Elternschaft“ in Sieker zuständig und wird auch in Ummeln die Fäden in der Hand halten. „Die Nachfrage nach solchen stationären Hilfen für Eltern mit geistiger Behinderung wächst ständig.“ Vor allem, wenn wiein Bielefeld, die nichtbehinderten Kinder bis zum 18. Lebensjahr

mit betreut werden. Die Anfragen kämen aus ganz Deutschland, denn „das Thema wird nicht flächendeckend gleich gut betreut“. Und vor allem ist die Elternschaft von Behinderten auch nicht überall gleich akzeptiert, weiß Petra Thöne. In Bielefeld sei das glücklicherweise anders. „Behinderte Menschen haben das gleiche Recht auf Elternschaft wie Nichtbehinderte.“ Eine Clearingstelle, wie sie ab Sommer 2015 in Ummeln entsteht, sei ihres Wissens nach deutschlandweit recht einmalig.

Als Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft Begleitete Elternschaft hat sie einen guten Überblick. Die Eltern, ob alleinerziehend oder als Paar, kommen mit ihrem Kind für mindesten sechs Monate ins Haus. Dort wird geschaut, welche Fähigkeiten und Hilfebedarfe sie haben, wie die kindliche Entwicklung aussieht, es wird trainiert und überlegt, welche Hilfsmaßnahmen auf Dauer notwendig sind – ob ambulant, stationär, eine Pflegefamilie für Eltern und Kinder, aber möglicherweise auch die Trennung, wenn sich herausstellt, dass das Kindeswohl nicht sichergestellt werden kann. Im inklusiven Wohnprojekt Eichenstraße wird es 24 Plätze geben, sechs davon rollstuhlgerecht.

Zwei Trainingswohnungen gibt es in der Clearingstelle, zudem eine interne Kindergruppe. Ein multiprofessionellesTeamsorgt nachden Worten von Petra Thöne für eine 24-Stunden-Betreuung. Dass im Haus weitere zehn Familien mit Kindern leben werden, freut alle Beteiligten.

„Es kann Begegnung stattfinden, im Haus und außerhalb“, sagt Petra Thöne. „Inklusion als gelebte Normalität, nicht als Insellösung“, ergänzt Oliver Klingelberg, der das Projekt auch als wegweisend für die gesamte Quartiersentwicklung sieht. Die BGW betreut an der Eichenstraße zurzeit 192 Wohnungen.

Pressemitteilung der Neuen Westfälischen vom 13./14. Dezember 2014 von Susanne Lahr

Veröffentlicht am:
16.12.2014

Autor:
Philipp Büsselmann

Herausgeber:
LandschaftsArchitektur Ehrig

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