Pressespiegel
Altbaumbestand im Mindener Glacis ist akut gefährdet
Minden: Das Mindener Tageblatt berichtet über den Verlauf der zweiten öffentlichen Veranstaltung für interessierte Bürger, die sich am Pflege- und Entwicklungskonzept für das Mindener Glacis beteiligen wollen. „Beim Glacis müssen viele, durchaus auch widersprüchliche Anforderungen in Einklang gebracht werden“, wird der Landschaftsarchitekt Dipl.-Ing. Ehm Eike Ehrig zitiert. Gemeint sind hier die unterschiedlichen Formen der Nutzung, wie beispielsweise zügiges oder gemächliches spazieren gehen, um Entschleunigung zu suchen oder sich in stiller Naturbetrachtung zu ergehen, gegenüber temporeicher Querung der Glacisanlage mit dem Fahrrad. Dort, wo die Wege schmaler sind, kann dies zur Nutzungskonkurrenz führen. Aber auch das Ausführen des Hundes kann mit Zielen des Naturschutzes kollidieren. Denn grundsätzlich sind Hunde mit Ihren Hinterlassenschaften, unter dem Gesichtspunkt der Nährstoffakkumulation, in vielen Parkanlagen ein Thema. Insebesondere in historischen Parkanlagen.
Am 5. Dezember 2018 nur wenige Tage nach der öffentlichen Veranstaltung zum Glaics in der Aula des Ratsgymnasiums Minden veröffentlichte der BfN zum Thema Nährstoffeintrag und Artenrückgang einen Artikel unter der Überschrift „Zunehmende Nährstoffbelastung gefährdet Wildpflanzen“ und greift damit ein wesntliches Thema auf, das es für die zielgerichtete Entwicklung des Mindener Glacis zu lösen gilt. Im Bericht heißt es: „Die aktuelle Rote Liste belegt jetzt, dass insgesamt 30,8 Prozent aller in Deutschland vorkommenden Pflanzen in ihrem Bestand gefährdet sind", sagt BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel. "Es sind dabei vor allem hohe Nährstoffbelastungen, die vielen Wildpflanzen zu schaffen machen.“
Das Weserglacis ist ein geschützter Landschaftsbestandteil, doch wesentliche Schutzziele werden nicht erreicht. Das Ziel, für Artenvielfalt und Strukturreichtum zu sorgen, wird verfehlt. Mit der Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata) und dem Klebkraut (Galium aparine) dominieren zwei Arten ein Drittel der Krautschicht. Vom Vegetationsökologen Ellenberg bekamen diese Pflanzen den Stickstoffzeigerwert 9 als höchste Kategorie zugeteilt und wurden von ihm als Verschmutzungszeiger tituliert. Weitere fünf Arten teilen sich das zweite Drittel der Krautschicht auf. Darunter sind der Giersch (Aegopodium podagraria) und der Taumelnde Kälberkopf (Chaerophyllum temulum). Insgesamt finden sich ca. 30 Arten in der Krautschicht, wobei sogar artenarme Buchenwälder auf einen höheren Anteil von Arten kommen.
Doch abgesehen von der vergleichsweise artenarmen Krautschicht bedeutet die stetige Anreicherung von Nährstoffen im Glacis auch eine Gefährdung der Alteichenbestände. Viele der noch vorhandenen Eichen stammen aus der Anfangsphase der preußischen Glaciswaldungen von 1764 bis 1872 und aus der Phase der gartenkünstlerischen Anlage des Mindener Waldparks. Damit haben diese Eichen einen hohen Alterswert, was sie nicht allein als Habitatbäume interessant werden lässt, sondern sie zeugen darüber hinaus von der Genese des Gartendenkmals „Glaciswaldungen“ bzw. des historischen Waldparks wie sich der hannoveraner Stadtgärtner Julius Trip und Hofgärtner Georg Tatter ihn vorstellten.
Die Nährstoffüberfrachtung des Standortes führt seit Jahrzehnten zu einer Verschiebung der Konkurrenzsituation hin zu einem Ungleichgewicht, bei dem unzureichend an den Standort angepasste Arten überproportional gefördert werden. Großblättrige Schattholzarten dominieren hierdurch das Geschehen in der Baumschicht des Glacis. Es sind Ahornarten, die vom Nährstoffreichtum profitieren und in den Eichenkronen emporwachsen. Durch die Beschattung reagieren die lichtbedürftigen Eichen sofort mit dem Absterben unterer Astpartien.
Viel Inhalte also für die Bürger, die sich an Thementischen zusammengefunden hatten um gemeinsam über das Glacis zu den Fragen des Naturschutzes, des Denkmalschutzes oder der aktiven bzw. ruhigen Nutzung des Glacis zu debattieren. Jeder Thementisch stellte sodann eine Agenda auf mit Belangen, Wünschen und Anregungen die ihnen besonders wichtig erschienen. Hier wurde deutlich wie verschiedenartig die Sicht auf das Glacis gelagert ist. Damit sich jedoch nicht ein jeder in seinem Argumentationsschneckenhaus verkriechen oder in seinem präferierten Thema bequem einigeln konnte, wurden im Anschluss an die Stellungnahmen der Bürger die Themen der Tische getauscht. Wer zuvor noch vehement für den Naturschutz position bezog sah sich jetzt als Sprecher aktiver Nutzung des Glacis wieder. Andere die zuvor dem Denkmalschutz die Priorität einräumenten mussten im Anschluss umdenken und revidierten teilweise sogar zuvor eingenommene Positionen zugunsten des Naturschutzes. Andere wiederum stellten heraus, dass sich ruhige Nutzungsarten gut mit dem Denkmalschutz deckten oder dass es mehr Gemeinsamkeiten zwischen Gartendenkmalschutz und Naturschutz gabe als zuvor gedacht.
In jedem Fall wurde ein Verständnis für die Vielfältigkeit der miteinander abzuwägenden Entwicklungziele geweckt und Konfliktlinien wie auch Verständigungsmöglichkeiten erkannt. Bei einigen führte der Perspektivwechsel auch zu einem weiteren Blickwinkel auf das Glacis und die Chancen für seine weitere Entwicklung.
Veröffentlicht am:
17.11.2018
Autor:
Ehm Eike Ehrig
Herausgeber:
Mindener Tageblatt (Anja Peper)
Stichworte:
Öffentlichkeit, Altbäume, Bürgerbeteiligung, Denkmalschutz, Denkmalpflege, Ehrig, Gartendenkmalpflege, Glacis, Landschaftsarchitekt, Minden, Naturschutz, Pflege- und Entwicklungskonzept, Stadtplanung
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