Pressespiegel

Stadtumbau West für Stadtplanungen der frühen Nachkriegszeit (Teil IV)

Erlebnis- und Spiellandschaft Sennestadt: Für die Sennestadt konnte zwar kein Freiraumentwicklungswerk (FEW) durchgesetzt werden, um einen systematischen Handlungsrahmen für eine langfristige planvolle Entwicklung zu gewährleisten, dafür konnte jedoch unter dem Titel „Erlebnis- und Spiellandschaft Sennestadt“ das Ensemble aus Sennestadtteich und Sennestadthaus planerisch durch das Büro L-A-E Landschaftsarchitekten Ehrig & Partner inszeniert werden.

Die Sennestadt als Stadtlandschaft gewordene Zeitgeschichte wurde von Prof. Dr.-Ing. Hans Bernhard Reichow geplant. In ihr lebten Mitte der 60er Jahre bereits über 17.000 Einwohner. Heute sind es in dem zwischenzeitlich in die Stadt Bielefeld ein-gemeindeten Stadtbezirk knapp 21.000 Menschen. Eine innige Verflechtung von Stadt- und Landschaftselementen prägt das Bild der Sennestadt bis heute. Kiefern-wälder und Laubbaumgruppen, Punkthochhäuser und Wohnblöcke verbinden sich zu einer städtebaulichen Komposition, die sich um ein naturgeschütztes Bachtal und einen Stauteich anordnet. Eine gute Orientierbarkeit durch Blickbeziehungen zeichnete diese Stadtlandschaft aus.

Neben der Landschaft stand der Mensch von Anbeginn der Planung im Mittelpunkt der stadträumlichen Komposition. So sind die Wohnblöcke und Häuser nach Südwesten ausgerichtet, um Terrassen und Balkone zum Feierabend zu besonnen. Die verschiedenen Wohnbautypen stehen in geordneter Durchmischung, um die soziale Kohärenz zu stärken. Das Fußwegesystem ist überwiegend vom Fahrverkehr getrennt und das Straßennetz kommt weitgehend ohne Kreuzungen aus.

Der zentrale Stadtraum des Sennestadtteiches mit seinem Sennestadthaus bildet das Herzstück der Stadtplanung, indem er Ost-, West- und Südstadt miteinander verbindet. Aufgrund einer immer dynamischeren Gehölzausbreitung verlor dieser Raum jedoch seine herausgehobene städtebauliche Funktion. Die Blickbeziehungen waren eingewachsen, das Sennestadthaus wurde dem Blick entzogen. Nutzbarkeit und Orientierungsmöglichkeiten des öffentlichen Freiraumes nahmen kontinuierlich ab. Das Büro L-A-E LandschaftsArchitektur Ehrig & Partner stellte in einem visualisiderten Entwurf eine Zielplanungsvariante vor, in der die Wege- und Raumbezüge deutlich herausgearbeitet sind.

Doch nicht nur fehlende Wegeverbindungen sondern auch desolate Wege sowie steile, nicht pflegbare Ufer rückten das Zentrum des Stadtbezirkes ins Abseits. Die fortschreitende „Verbuschung“ führte darüber hinaus zur Entstehung von Angsträumen.

Um den Sennestadtteich besser erlebbar zu machen und den öffentlichen Freiraum wieder zu beleben, wurden die steilen Uferböschungen auf ein mähbares Gefälle abgeflacht. Diese Maßnahme sichert die langfristige Offenhaltung der Vegetationsräume rund um den Sennestadtteich. Die marode Uferbefestigung aus Tropenholzfaschinen wurde durch ingenieurbiologischen Pflanzeneinsatz in Verbindung mit Steinschrottenschüttungen nachhaltig befestigt. Schnellwüchsige Sukzessionsgehölze wie die Hybridpappelen wurden zugunsten von Blickbeziehungen und lichtbedürftigen Klimaxgehölzen wie Eichen zurückge-drängt. Der Raum rund um den Sennestadtteich gewann dadurch neue Großzügigkeit und die Bezüge zur umgebenden Stadtlandschaft wurden wieder deutlich. Die Einsaat der Ufer mit gebietsheimischen Ökotypensaatgut integrierte seltene Arten in den urbanen Landschaftsraum und leistet seitdem einen Beitrag als integrativer Naturschutz. Die Impfungen der Wiesen und Gehölzbereiche mit 175.000 zur Verwilderung neigenden Geophyten bringen von März bis Mai einen zusätzlichen farbenfrohen Blütenaspekt in das Zentrum der Sennestadt, ohne dass eine intensivere Pflege notwendig wird.

Die neue Attraktion im Zentrum der Sennestadt verkörpert jedoch das Ensemble aus Seeterrassen, Bootsstegen und dem Findlingsstrand. In der Annahme durch die Bevölkerung zeigt sich, dass sich die „Soziale Stadt“ als Leitbild der Stadtentwicklung letzten Endes am besten durch die Qualifizierung ihrer baulich-physischen Lebensrealität verwirklichen lässt. Sennestadt kann dank des Programms Stadtumbau West als Bezirk mit besonderer Wohnqualität, Wasserflächen und Freiräumen zur Freizeitgestaltung sein Image als Wohnort für Familien und naturverbundene Menschen stärken. So wie es sich die Stadtplaner der frühen Nachkriegszeit vorgestellt hatten.

Veröffentlicht am:
11.12.2012

Autor:
Ehm Eike Ehrig

Stichworte:
Bielefeld, FEW, Freiraum, Freiraumentwicklungswerk, Reichow, Naturschutz, L-A-E, Landschaftsarchitektur, Planung, Sennestadtteich, Spiellandschaft, Stadtentwicklung, Stadtplanung, Nachkriegszeit, Stadtumbau