Pressespiegel
Das Freiraumentwicklungswerk als zentrales Planungsinstrument einer zukunftsgewandten Städteplanung
In der Charta von Venedig aus dem Jahre 1964 zur Konservierung und Restaurierung von Denkmälern und Ensembles (Denkmalbereichen) heißt es in Artikel 1 dazu: „Der Denkmalbegriff umfasst sowohl das einzelne Denkmal als auch das städtische oder ländliche Ensemble (den Denkmalbereich), das von einer ihm eigentümlichen Kultur, einer bezeichnenden Entwicklung oder einem historischen Ereignis Zeugnis ablegt. Er bezieht sich nicht nur auf große künstlerische Schöpfungen, sondern auch auf bescheidene Werke, die im Laufe der Zeit eine kulturelle Bedeutung bekommen haben.“ Diese Werke sind in Gefahr verloren zu gehen, weil ihre Bedeutung nicht erkannt wird. Bereits 1933 heißt es hierzu in Artikel 71 und 72 der Charta von Athen: „Die meisten der untersuchten Städte zeigen heute ein Bild des Chaos: Sie entsprechen in keiner Weise ihrer Bestimmung, die wichtigsten biologischen und psychologischen Bedürfnisse ihrer Bewohner zu befriedigen. Dieser Zustand enthüllt die seit Beginn des Maschinenzeitalters unaufhörlich gewachsene Anhäufung privater Interessen.“ Diese Aussagen haben ihre Relevanz bis heute nicht eingebüßt, wobei neben der Anhäufung privater Einzelinteressen gegenüber dem Gemeinwohl zusätzlich die Problemstellung auftritt, dass die administrative Zersplitterung des öffentlichen Stadtraumes einem übergreifenden Gesamtkonzept entgegentritt. Es werden Daten gesammelt und verwaltet, aber die Schnittstellen der Informationsübertragung und der verantwortungsvolle und zugleich kreative Umgang mit ihnen zugunsten eines geordneten Freiraumes bleibt vielfach ungenutzt. Der Freiraum stellt sich dann oftmals nur noch dar als das, was zufällig übrig geblieben ist.
Auf diese Weise bleiben nicht nur unerkannte Denkmalbereiche unberücksichtigt, sondern auch die ökologischen Ressourcen sowie der Erholungswert der Stadtlandschaft. Die Städteplanungen der Nachkriegszeit, die für die Vertriebenen und Ausgebombten verwirklicht wurden, sind ein wichtiges Zeugnis unserer nationalen Identität. In ihnen wurde oftmals das Leitbild der sozialen und auch autogerechten Stadt in einer Weise propagiert, die den Freiraum in seiner Topographie, Vegetation und Landschaftsgenese respektierte und in die neue Stadtlandschaft untrennbar integrierte. Als Beispiele und Zeitzeugen dieser städtebaulichen Konzeption wäre hier die Sennestadt von Prof. Reichow oder das Stadtquartier Wenscht in Siegen zu nennen. Über diesen Denkmalwert hinaus sind jene Stadtplanungen den veränderten Lebensbedingungen der Menschen anzupassen und weiterzuentwickeln. In Zeiten knapper Finanzen müssen die vorhandenen Ressourcen effizient genutzt werden und dies sollte schon während der Entwurfsphase bedacht werden. An diesem Punkt verbindet sich die Bewahrung des Denkmalwertes eines Ensembles mit dem Schutz unserer ökologischen Naturressourcen.
Am 27. Mai 1994 wurde die Charta von Aalborg zur Zukunftsbeständigkeit von Städten und Gemeinden veröffentlicht. Im Abschnitt 1.2 heißt es „die soziale Gerechtigkeit muss notwendigerweise auf einer wirtschaftlichen Dauerhaftigkeit und Gerechtigkeit beruhen, und diese wiederum erfordert eine Nachhaltigkeit der Umweltnutzung.“ In Absatz 1.14 wird beschrieben, dass das ganze „planerische Instrumentarium für einen ökosystembezogenen Ansatz kommunaler Verwaltung zu nutzen ist.“ Ein wichtiges Instrument hierfür ist das Freiraumentwicklungswerk (FEW). Oftmals gibt es im Vorhinein schon ein durch Stadtplaner erstelltes Stadtentwicklungskonzept (SEK) oder integrierte Stadtentwicklungskonzepte (INSEK). Diese können ein Freiraumentwicklungswerk (FEW) nicht ersetzen, bieten jedoch eine gute Grundlage zu seiner Erarbeitung. Der LandschaftsArchitekt konkretisiert mit dem Freiraumentwicklungswerk die Stadtentwicklung aus landschaftsarchitektonischer Perspektive.
Im FEW wird wie im PPW die historische Entwicklung der Stadtlandschaft beschrieben und mit dem gegenwärtigen Bestand der unbelebten Strukturen vom Wegesystem bis zum Artefakt und den belebten Vegetationsstrukturen der Gehölze und des Unterwuchses verglichen. Die Bestandserfassung erfolgt beim FEW hierbei wie beim PPW. Die Gehölze werden nach Art, Kronendurchmesser, Stammdurchmesser und Höhe erfasst und in der Analyse zusammen mit Unterwuchsstrukturen, Bodenbeschaffenheit, Relief, Gewässerzustand und gewandelten Nutzungsansprüchen in ihren ökosystemaren Kontext gesetzt. Ergebnis dieser komplexen Zusammenschau aller Funktionskreisläufe und –anforderungen ist dann wie im PPW auch der Zielplan. In ihm wird die ökologische Zukunftsbeständigkeit der Stadtlandschaft mit ihrer denkmalgerechten Erhaltung und den modernen Nutzungsanforderungen zu einem Ausgleich geführt, der die Ästhetik und allgemeine Lebensqualität des Stadtraums für die nächsten 10-30 Jahre sichert und ausbaut. Mit dem Zielplan des Freiraumentwicklungswerkes wird gewährleistet, dass die weitere Entwicklung der Stadtlandschaft nicht dem Zufall überlassen bleibt, sondern entsprechend der Artikel 71 und 72 der Charta von Athen im Rahmen eines ökologischen wie auch denkmalpflegerischen Leitgedankens stattfinden kann.
Veröffentlicht am:
20.09.2011
Autor:
Ehm Eike Ehrig
Stichworte:
Aalborg, Charta, Denkmal, FEW, Freiräume, Freiraumentwicklungswerk, Grünanlage, historisch, Parkanlagen, INSEK, Stadtentwicklungskonzept, Kultur, Landschaftsarchitekt, LandschaftsArchitekten, Parkanlage, SEK, Städteplanung, Stadtlandschaft, Stadtplanung