Publikation
Die DGGL als Initiator gesellschaftlicher Prozesse – Zwei beispielhafte Projekte aus Westfalen
Die DGGL versteht sich als Initiator und Katalysator für gesellschaftliche Prozesse zur Förderung der Garten- und Landschaftskultur. Was dies konkret bedeutet, wird im Folgenden anhand zweier Projekte aus Westfalen dargestellt. Die Gartenkultur ist in diesem Teil Deutschlands verwurzelter und üppiger, als sie gemeinhin bundesweit wahrgenommen wird. Mit der Hochschule Osnabrück und der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Höxter befinden sich gleich zwei Ausbildungsstätten für Landschaftsarchitekten im Gebiet des Landesverbandes Westfalen. Und allein in der Region Ostwestfalen-Lippe existieren 42 Gutsparke, 30 Schlossparke sowie 19 Kurparkanlagen und weitere 84 gartenkünstlerisch gestaltete Freiräume.
TRANSit! Kulturbrücken Bielefeld
Doch neben den katalogisierten und mit mehr oder weniger Aufmerksamkeit versehenen „Perlen“ der Gartenkunst bedürfen auch die städtischen Freiräume insgesamt einer achtsamen Wahrnehmung und angemessenen, fachlichen Beurteilung. So nahm die DGGL Westfalen die hohe landschaftskulturelle Wertigkeit des Bielefelder Stadtgrüns zum Anlass, mit ihrer Initiative „TRANSit! Kulturbrücken Bielefeld“, den städtischen Freiraum zu thematisieren.
Der Begriff Kulturbrücken bezieht sich hierbei auf die topographische Situation am Bielefelder Pass, dort wo der Teutoburger Wald zwischen dem Sparrenberg mit der Burg und dem Johannisberg einen Taleinschnitt ausformt. Zwischen diesen beiden Bergen bilden eine Schnellstraße und die parallel verlaufende Bundesbahnstrecke eine massive Zäsur. Die Verbindung zwischen den bestehenden naturräumlichen und kulturellen Freiräumen war durch diese Barrieren nicht mehr ablesbar und erlebbar.
Ziel der DGGL-Initiative war es, die Bedeutung der grünen Zwischenräume stärker bewusst zu machen und deren Wertschätzung in der Bevölkerung und im politischen Raum weiter zu steigern. In den Jahren 2002 bis 2004 initiierte die DGGL Westfalen mit vielen Projektideen für den Brückenschlag zwischen Sparrenburg und Johannisberg die politische Diskussion und unterstützte das freiraumplanerische Projekt StadtParkLandschaft der Stadt Bielefeld. Es ging der DGGL zunächst weniger darum, bestehende Einrichtungen auszubauen, vielmehr sollten die wechselseitigen Beziehungen herausgearbeitet und neue Verknüpfungspunkte geschaffen werden.
Dieses freiraumplanerische Defizit der Passsituation wurde auch durch die im Januar 2004 erschienene, von der Stadt Bielefeld in Auftrag gegebene Schrift mit dem Titel „Der Johannisberg im Konsens mit StadtParkLandschaft“ thematisiert. Die DGGL-Westfalen entwickelte zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Chiliconverde, bestehend aus den Landschaftsarchitekten Raimund Schumacher-Dümmler, Wolfgang Schramm und dem Landschaftskünstler Klaus Meier Warneboldt, das Projekt „TRANSit!“. Innerhalb dieses Projektes wurden experimentelle Ideen zur Umsetzung eines Brückenschlages präsentiert, um den Teutoburger Wald in seiner Funktion als prägendes grünes Rückgrat der Stadt Bielefeld herauszustellen. TRANSit! setzte Licht, Ton und Objekte ein, um den differenzierten Stadt- und Landschaftsraum zu interpretieren und die Wahrnehmung auf die Projektorte zu fokussieren. Als artifizielle Bindeglieder sprachen diese Medien durch Blick-, Hör- und Erlebnispunkte unterschiedliche Sinnesebenen an. Damit überwand TRANSit! durch imaginäre beziehungsweise künstliche Brückenschläge die topografischen Barrieren. TRANSit! bewog die Bürger und Besucher Bielefelds dazu, sich auf die Wege zu machen, Zwischenräume zu erleben, Grenzen zu überwinden und neue Beziehungen zu entdecken.
Eine Aufforderung zu gemeinsamem Tun war ein in Kooperation mit der Stadt Bielefeld, dem interdisziplinären Arbeitskreis der Universität Bielefeld „Bielefeld 2000plus“ und der DGGL Westfalen organisierter Streifzug zu Fuß durch das Bielefelder Grün am 25. Juni 2004. Zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmern bekamen von prominenten Bielefeldern an vier Orten auf der Wegstrecke verschiedene Standpunkte zum Stadtgrün vorgestellt. Für die Wanderung konnten unter anderen der Bielefelder Oberbürgermeister Eberhard David, der Detmolder Regierungspräsident Andreas Wiebe und der Direktor der Kunsthalle Bielefeld Dr. Thomas Kellein gewonnen werden.
Mit großem Interesse wurde der Streifzug von der örtlichen Presse begleitet und darüber berichtet. TRANSit! gab der Öffentlichkeit und der Politik wichtige Impulse und machte so den Wert des Bielefelder Grüns bewusster. Auch wenn die artifiziellen Projekte letztlich nicht realisiert wurden, so konnte doch die Grundidee der Vernetzung innerhalb des städtischen Projektes StadtParkLandschaft nicht zuletzt durch die DGGL-Initiative TRANSit! weiterverfolgt und mit Leben erfüllt werden.
Bis zum Jahr 2011 konnten die Blickbeziehungen über den Bielefelder Pass im Rahmen der Umsetzung des Parkpflegewerkes II für den Johannisberg wieder hergestellt werden. Seit 2010 wird darüber hinaus der historische Park auf dem Johannisberg gartendenkmalpflegerisch in Wert gesetzt, so dass mit weiteren Maßnahmen ein neuer Erholungs- und Erlebnisraum für die Stadt Bielefeld entsteht. Neben der neu geschaffenen Blickbeziehung wird als weiterer Brückenschlag ein passübergreifendes Lichtkonzept erstellt.
Abgesehen vom Projekt TRANSit! gelang es der DGGL Westfalen in Bielefeld durch Mitbegründung eines Fördervereins für den Botanischen Garten eine wichtige Lanze für die Gartenkunst zu brechen und die erforderlichen gesellschaftlichen Kräfte erfolgreich zu bündeln. Anfang des Jahres 1997 kam in politischen Gremien der Stadt Bielefeld die Idee auf, zur Einsparung von Pflegekosten Teile des Botanischen Gartens verwildern zu lassen. Damit wäre eine der schönsten Parkanlagen Bielefelds deutlich entwertet worden.
Botanischer Garten Bielefeld
Neben den in Westfalen angelegten Botanischen Gärten, die den Ausbildungsstätten der Fachhochschulen beziehungsweise der Universität in Münster angegliedert sind, gibt es in Westfalen mit dem Gütersloher und dem Bielefelder Botanischen Garten überdies zwei für die Bürger als Schaugärten begründete Anlagen, die sich in kommunaler Trägerschaft befinden. Dieses spezielle Erbe westfälischer Gartenkultur zu erhalten, gestaltet sich schwieriger, als dies bei den Botanischen Gärten zu beobachten ist, die in Anbindung an eine Bildungseinrichtung bestehen. An der Tatsache, dass sich bis auf Höxter zu allen Botanischen Gärten Fördervereine entwickelt haben, wird jedoch ersichtlich, dass es mittlerweile insgesamt einer gesteigerten Aufmerksamkeit und Anstrengung bedarf, diese besonderen Gärten für die Zukunft zu erhalten und zu sichern.
Am 23. August 1997, zum 85. Geburtstag des Botanischen Gartens, lud die DGGL Westfalen deshalb mit Unterstützung des Grünflächenamtes Bielefeld die Bielefelder Bürgerinnen und Bürger zu einem Sommerfest in den Garten ein. Mehrere hundert Geburtstagsgäste folgten der Einladung und demonstrierten so für den Erhalt des Botanischen Gartens in seiner ursprünglichen Form.
Nach dem Sommerfest leistete die DGGL Westfalen Geburtshilfe für die Gründung des Vereins „Freunde des Botanischen Gartens Bielefeld“ und begrub damit das politische Ansinnen, den Botanischen Garten zu einer durchschnittlichen Grünanlage werden zu lassen. Seit seiner Gründung hat sich der Förderverein gut entwickelt. Von den zehn Mitgliedern des Vorstandes und des Beirates rekrutiert sich bis heute die Hälfte des aktiven Vereinskerns aus Mitgliedern der DGGL Westfalen.
Gegenwärtig, und damit ein Jahr vor dem 100. Geburtstag des Botanischen Gartens, wirbt die DGGL Westfalen zusammen mit dem Verein „Freunde des Botanischen Gartens Bielefeld e.V.“ für die Erweiterung des Gartens um 3 000 Quadratmeter. Durch den Abriss der ehemaligen Georgenkirche und des Kindergartens auf dieser Fläche ergibt sich eine einmalige Chance, den Botanischen Garten um dieses Areal zu erweitern. Vorgesehen hatte die Politik dies nicht. Stattdessen sollte die Grundstücksfläche durch eine Umwidmung von Gemeinbedarfsfläche zu Bauland monetär aufgewertet werden. Diese Änderung sollte in einem beschleunigten Genehmigungsverfahren vorangetrieben und von einem Investor mit Mietshäusern bebaut werden.
In der DGGL-Westfalen wurde daraufhin ein alternatives Nutzungskonzept für die Integration des Grundstücks in den Botanischen Garten entwickelt. Nach Abstimmung des Konzeptes mit dem Freundeskreis des Botanischen Gartens wurden viele Präsentationen in den politischen Fraktionen und Gremien der Stadt absolviert. Eine Bürgerinitiative, die sich neu gegründet hatte, konnte hilfreich in die Arbeit zur Erweiterung des Botanischen Gartens integriert werden.
Gerade der überregionale Bezug der DGGL-Westfalen war im Zusammenspiel mit der fachlichen Reputation des Vereins eine entscheidende Hilfe für den Erfolg der politischen Überzeugungsarbeit. Die Kampagne wurde durch die DGGL weniger angreifbar, indem weder individuelle Einzelinteressen zugrunde gelegt werden konnten noch die fachliche Relevanz in Zweifel zu ziehen war. Die Stimme der Bürger bekam mit der DGGL Westfalen Gewicht. Bislang konnte die gemeinsame Initiative einen sechsstelligen Sponsorenbetrag akquirieren und die Hoffnung ist begründet, dass die Erweiterung des Botanischen Gartens Bielefeld erreicht werden wird.
Literatur:
Bufe, Thomas; Neuling, Walter (2002): Garten-Landschaften Ostwestfalen-Lippe. Dokumentation bedeutender Park- und Gartenanlagen im Regierungsbezirk Detmold. Münster. (Hg): Landschaftsverband Westfalen-Lippe.
DGGL Landesverband Westfalen + chiliconverde (2002): TRANSit! Kulturbrücken Bielefeld. Eine Initiative der DGGL Westfalen für das Bielefelder Stadtgrün. Bielefeld. Broschüre vergriffen.
Ehrig, Christhard (2004): Parkpflegewerk I - Der Johannisberg im Konsens mit StadtParkLandschaft, Konzeption planerischer Ziele für die Freiraumentwicklung. Bielefeld. (Hg): L-A-E LandschaftsArchitektur Ehrig und Partner
Ehrig, Ehm Eike (2008): Parkpflegewerk II für den Johannisberg. Bielefeld. (Hg): L-A-E LandschaftsArchitektur Ehrig und Partner
Frohn, Joachim (2004): Bielefeld 2000plus, Der Aufbau der Bielefelder Grünanlagen. Bielefeld (Hg): Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Bielefeld, H. 36.
Freunde des Botanischen Gartens Bielefeld e.V. (2011): Online in Internet: www.freunde-bot-bi.de (Stand 01.09.2011).
Autor:
Ehm Eike Ehrig und Evelyn Hilker
Jahr:
2012
Typ:
Magazin
Verlag:
Verlag Georg D.W. Callwey GmbH & Co. KG (München)
ISBN / ISSN:
978-3-7667-1959-1
Optionen:
PDF herunterladen