Publikation

Bad Salzuflen, Zukunft des Kurortes – Bürger und lokale Akteure planen mit


Zeitschrift: Stadtplanung in Ostwestfalen-Lippe

Das Staatsbad Bad Salzuflen befindet sich seit einigen Jahren in einem Umstrukturierungsprozess von der reinen Kurstadt zu einer zukunftsfähigen Gesundheits- und Erholungsstadt (Slogan: "...ich fühl' mich wohl"). Die Gradierwerke im historischen Kurbereich sind eine der bekanntesten Attraktionen der Badestadt und stehen als Gesamtanlage wegen ihrer stadthistorischen Bedeutung und der Stellung zueinander (T-Form) unter Denkmalschutz. Ursprünglich als technische Anlagen für den Salinenbetrieb zur Gewinnung von Salz aus Sole gebaut, sind die Gradierwerke heute ein einzigartiges Freiluft-Inhalatorium für Kurgäste.

In 2004 musste ein Flügel des ältesten Gradierwerkes von 1767 am Kurparkeingang wegen Einsturzgefahr abgetragen werden. Der Rat der Stadt hat deshalb im Januar 2005 die Verwaltung beauftragt, kurzfristig eine städtebauliche Gesamtplanung für den Kurbereich zu erarbeiten, die Entwicklungsperspektiven aufzeigen sollte. Außerdem sollte als erste Teilmaßnahme ein Standort für das neue, von innen begehbare, Gradierwerk festgelegt werden. Von Februar bis Juni 2005 hat das Stadtplanungsamt den offenen städtebaulichen Planungsprozess „KURPARK ENTREE“ für diesen zentralen Bereich an der Schnittstelle von historischer Altstadt und den Kur- und Kulturanlagen durchgeführt. Die außergewöhnliche starke Beteiligung bei den Bürgerforen sowie die Vielzahl an schriftlichen Anregungen, Gestaltungsvorschlägen und Leserbriefen in der Presse haben die hohe Bedeutung der Planung in der Bürgerschaft und für die Zukunft des Kurortes Bad Salzuflen aufgezeigt.

Der Kurpark Bad Salzuflens ist Teil eines von jeglichem Fahrverkehr freigehaltenen etwa 120 ha großen Landschaftsparks entlang der Salze. Er verbindet die historische Altstadt mit der weitläufigen Park- und Erholungslandschaft. Durch den Abriss des Gradierwerkes, das den räumlichen Abschluss des Kurparks bildete, ergaben sich neue Entwicklungsperspektiven auch vor dem Hintergrund eines veränderten Gesundheits- und Fremdenverkehrsmarktes. Gleichzeitig sollen ober die vorhandenen Stärken und Alleinstellungsmerkmale der Stadt mit den Gradierwerken, einem ruhigen Kurpark sowie den attraktiven kurörtlichen Einrichtungen wie z.B. die denkmalgeschützten Gebäude der Konzert- und Wandelhalle aus den frühen 1960er Jahren erhalten und weiter ausgebaut werden. Komplexe Planungsaufgabe zur Zukunft des Kurortes. Der sehr enge Zeitplan des Planungsprozesses „KURPARK ENTREE“ erforderte eine stringente Projektorganisation. Ein Planungsteam mit dem Baudezernenten Rolf Oberweis, dem Bielefelder Landschaftsarchitekten Christhard Ehrig sowie Herbert Winkler und Arnold Reeker vom Stadtplanungsamt hat die Planungsvarianten erarbeitet. Inhaltlich begleitet wurde der Planungsprozess durch einen Lenkungskreis unter der Moderation des Dortmunder Architekten Prof. Jürgen Hansen. Dem Lenkungskreis (ca. 20 Personen) gehörten neben Mitgliedern der Ratsfraktionen und der Verwaltung auch Vertreter der beteiligten Interessenverbände wie Staatsbad GmbH, Gastgeber, Badeärzte, Heimatverein, Denkmalschutz, Werbegemeinschaft u.a. an. In der ersten Planungsphase sind den Bürgerinnen und Bürgern bei dem 1. Bürgerforum am 10. März 2005 zwei grundsätzlich unterschiedliche Lösungsansätze – „Historische Abtrennung des Kurparks durch ein Gradierwerk“ oder „das Grün in die Stadt ziehen ohne Trennung durch ein Gradierwerk am historischen Standort“- mit je vier Entwurfsvarianten vorgestellt worden. Eine klare Mehrheit der etwa 150 Personen hat sich bei diesem 1. Bürgerforum für ein Gradierwerk am alten Standort ausgesprochen. Zusätzlich gab es zahlreiche schriftliche Anregungen und Gestaltungsvorschläge aus der Bürgerschaft. Planungsteam und Lenkungskreis haben nach der Auswertung der ersten Planungsphase die vollständige Durcharbeitung von drei Entwurfsalternativen (inklusive Modelle) vereinbart. Beim 2. Bürgerforum am 28. April 2005 im mit mehr als 350 Personen überfüllten Kurhaus lösten diese Planungsalternativen lebhafte Diskussionen aus zwischen Befürwortern eines Gradierwerks an historischer Stelle und den Bürgern, die sich für "den freien Blick in den Kurpark" und gegen den Bau eines neuen Gradierwerks aussprachen. Während die lokale Gesundheitswirtschaft, Beherbergungsbetriebe, Heimatverein und Denkmalschutz den Wiederaufbau eines Gradierwerks am historischen Standort für unverzichtbar hielten, forderten einige Einzelhändler und Politiker eine attraktive Gestaltung des Kurparkeingangs ohne ein neues Gradierwerk. Nach Auswertung des Planungsprozesses und Abwägung von Chancen und Risiken der Planungsalternativen für die weitere Entwicklung des Kurortes, hat der Lenkungskreis dem Rat mit großer Mehrheit den Bau eines langen Gradierwerkes am historischen Standort mit einem großen „Fenster/Tor zum Park“ empfohlen. Eine knappe Ratsmehrheit ist dieser Empfehlung allerdings nicht gefolgt und hat am 22. Juni 2005 beschlossen, gänzlich auf den Bau eines neuen Gradierwerkes zu verzichten.

Bürgerbegehren „Pro Gradierwerk“

Unmittelbar nach dieser Entscheidung des Rates haben einige Bürger eine Bürgerinitiative für ein Bürgerbegehren „Pro Gradierwerk“ gegründet, das den Neubau eines Gradierwerkes am historischen Standort entsprechend dem Ergebnis des städtebaulichen Planungsprozesses „KURPARK ENTREE“ forderte. Innerhalb weniger Wochen wurden über 10.000 Unterschriften gesammelt, so dass sich der Rat nochmals mit dem Beschluss befassen musste. Nach lebhafter Debatte und einigen gescheiterten Kompromissversuchen ist der Rat der Stadt am 26. September 2005 dem Bürgerbegehren beigetreten.

Mittlerweile liegt ein Förderbescheid des Landes NRW vor, so dass ab Sommer 2006 ein etwa 80 m langes und von innen begehbares Gradierwerk am historischen Standort mit einem großen „Fenster/Tor zum Park“ gebaut wird.

Städtebauliches Handlungskonzept Historischer Kurbereich

Als nächster Planungsbaustein wurde von Herbst 2005 bis Juni 2006 ein vom Land NRW gefördertes städtebauliches Rahmenkonzept für den gesamten historischen Kurbereich (etwa 50 ha) erarbeitet, das ein konkretes Handlungskonzept für die zukünftige städtebauliche Entwicklung sowie für die Nutzung und Gestaltung der kurörtlichen Gebäude und Parkanlagen sein wird. Erarbeitet wird das "Städtebauliche Handlungskonzept Historischer Kurbereich" von der Arbeitsgemeinschaft Schmidt-Schmersahl + Partner (Architekten/Stadtplaner, Bad Salzuflen) und dem Bielefelder Landschaftsarchitekten Christhard Ehrig.

Auftakt für diesen Planungsprozess war am 29. September 2005 die öffentliche Veranstaltung „Zukunft des Kurortes“ mit etwa 180 Bürgerinnen und Bürger im Kurhaus. Klaus Reppel (Institut für Tourismus- und Kurorteberatung, Karlsruhe) hat in seinem Referat die großen Stärken und Chancen Bad Salzuflen hervorgehoben, auf die es aufzubauen gilt: Die einzigartige Kurortinfrastruktur mit den Gradierwerken, die historische Altstadt, die weitläufigen Park- und Erholungsanlagen und die medizinisch-balneologische Kompetenz. Die intensive Einbindung der lokalen Akteure und der Bürger/-innen in den Planungsprozess ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine breite Unterstützung dieser städtebaulichen Planungen und Maßnahmen durch Rat und Bürgerschaft. In Bad Salzuflen soll so die Entwicklung zu einer zukunftsfähigen Gesundheits- und Erholungsstadt fortgesetzt werden, in der sich Gäste und Einwohner wohlfühlen können.

Autor:
Arnold Reeker

Jahr:
2006

Typ:
Magazin

Verlag:
Arbeitskreis Stadtplaner in Ostwestfalen-LippeL (Gütersloh)

ISBN / ISSN:
k.A.

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